Zusammenfassung

Das „Ärzteaustauschprojekt Indonesien- Schweiz 2018“ war das erste Projekt des Vereins „Support Beyond Barriers“. Dabei besuchten die beiden Ärztinnen, Dr. Munadia und Dr. Amanda Yufika, aus Aceh (Indonesien) während des Monats September 2018 verschiedene Organisationen in der Schweiz. Bei Workshops, Hospitationen und Diskussionen bekamen sie einen Einblick in verschiedenen Bereichen der Medizin, Gesundheit, Pädagogik und Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen. Dabei stand der gegenseitige Austausch der Fachleute im Vordergrund. Die Projekte fanden in den drei Kantonen Bern, St. Gallen und Zürich statt mit den beteiligten Institutionen: Rehabilitationszentrum Affoltern am Albis - Kinderspital Zürich, KER-Zentrum – Ostschweizer Kinderspital St.Gallen, Heilpädagogische Schule Bern und IBEM Team Schule Oberdiessbach. Ein weiteres wichtiges Element dieses Projekts war der kulturelle Austausch, welcher in Form von Übernachtungen bei Gastfamilien, gemeinsamen Essen, Ausflügen und einen kulturellen Abend stattfand.

Für die Ärztinnen war dieser Austausch eine wichtige Bestätigung und Motivation für ihren täglichen Kampf für die Integration der Kinder mit Behinderungen in Indonesien. Sie konnten ihr breites, oft theoretisches Wissen in der Praxis beobachten und neue Methoden mit den Fachleuten diskutieren. Wir konnten ein Expertenpool für zukünftige Zusammenarbeiten oder Rückfragen aufbauen. Durch den regen Austausch mit den Ärztinnen und ihre positive Art, bekamen wir viele positive Rückmeldungen von Fachleuten, welche sich reflektieren und auch inspirieren lassen konnten.

Das Projekt wäre ohne die Kooperation mit den Organisationen, die privaten Spenden und die vielen helfenden Hände nicht möglich gewesen.

Warum ist dieses Projekt wichtig?

In Aceh (Indonesien) gibt es nur wenige Unterstützung- und Integrationsangebote für Kinder mit Behinderungen und deren Familien. Dabei fehlen nicht nur die materiellen und finanziellen Ressourcen. Es fehlen vor allem ausgebildete Fachleute, aber auch die Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu dieser Thematik. Die Regierung unterstützt kaum Weiterbildung- und Ausbildungsangebote für Fachleute in der Medizin, Gesundheit und Pädagogik im Bereich Menschen mit Behinderungen. Aus diesem Grund sind diese Fachleute oft überfordert und haben teilweise schlechte Haltungen und wenig Verständnis gegenüber Kindern mit Behinderungen. Die Konsequenzen sind, dass die Kinder zu Hause bleiben oder sie nicht korrekt behandelt werden. Dadurch werden ihre Fähigkeiten nicht gefördert und die Kinder bleiben so ein Leben lang abhängig von ihren Familien. Dabei denken wir vor allem an Kinder, die bei uns in der Schweiz durch Frühförderungen und Therapie ein völlig unabhängiges Leben führen können und sehr gute Chancen im Arbeitsmarkt haben.

Deshalb ist es sehr wichtig, die Fachleute zu motivieren und ihnen den Zugang zu Ausbildungen, Weiterbildungen und Austauschmöglichkeiten in diesem Bereich zu bieten. Durch gut ausgebildete Fachleute gibt es bessere Chance für die Förderung und Integration der Kinder mit besonderen Bedürfnissen.

Dr. Munadia, die einzige Kinderrehabilitationsärztin in Aceh für 5 Millionen Einwohner, hat sich das zur Lebensaufgabe gemacht. Zusammen mit Dr. Amanda Yufika und weiteren Helfern organisiert sie Weiterbildungen und Informationsveranstaltungen für Lehrer und Eltern, hat eine integrative Primarschule aufgebaut, sensibilisiert die Öffentlichkeit und als Rehabilitationsärztin behandelt und therapiert sie Kinder mit Behinderungen in ihrer Praxis. Dr. Amanda Yufika plant im nächsten Jahr den Facharzt auf Kinderrehabilitation zu machen und durch ihre Arbeit als Dozentin in der medizinischen Fakultät sensibilisiert sie bereits heute Medizinstudenten für die Thematik. Daneben unterstützt sie Elternorganisationen von Kindern mit Behinderungen.

Die Organisation und Durchführung von ihren Veranstaltungen beruhen fast ausschliesslich auf ehrenamtlicher Basis und die Anlässe werden von den Ärztinnen persönlich oder durch private Spenden finanziert.

Die Ärztinnen verfügen über ein breites Fachwissen, können dieses jedoch oft nicht aufgrund von Mangel an Ressourcen und Fachkräften in der Praxis umsetzen und haben fast keine Möglichkeiten praktische Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln. „Support Beyond Barriers“ möchte die beiden Ärztinnen und weitere Fachleute in der Region in ihren unermüdlichen Kampf für die Rechte der Kinder mit Behinderungen unterstützen.  Als erstes Projekt gab das „Austauschprojekt Indonesien-Schweiz 2018“ den Ärztinnen die Möglichkeit Einblicke in verschiedenen Bereich der Rehabilitation und Integration in der Schweiz zu erhalten und sich mit verschiedenen Fachleuten auszutauschen.

Projektrückblick

Beim dreiwöchigen Austauschprojekt 2018 und Besuch in den verschiedenen Organisationen wurden die beiden Ärztinnen von Angela Collenberg als Leiterin des Projekts begleitet. Die Aktivitäten vor Ort wurden zusammen mit den lokalen Partnern im Vorfeld des Projekts organisiert. Die besuchten Organisationen und verantwortlichen lokalen Partnern sind folgende:

1.Woche: Schule Zimmerwald, Schule und IBEM Team Oberdiessbach und Heilpädagogische Schule Bern – Alice Caduff und Franziska Schmid (Leiterinnen Heilpädagogen Oberdiessbach und Bern)

2.Woche: KER-Zentrum des Kinderspitals St. Gallen und zwei heilpädagogische Schulen (Heerbrugg und Stiftung Vivala) – Dr. med. Christoph Künzle (Leitender Arzt Rehabilitation)

3.Woche: Kinderspital Zürich und Rehabilitationszentrum Affoltern am Albis – PD Dr. med. Andreas Meyer-Heim (Chefarzt)

 

Im Anhang ist ein detailliertes Programm zu finden, sowie ein Erfahrungsbericht von Dr. Amanda Yufika  (in Englisch). Die Projektaktivitäten und Erfahrungen können in den folgenden Punkten grob zusammengefasst werden.

 

  1. Integration und Förderung des Kindes in der Schule
  • Vergleich Schulsystem Schweiz und Indonesien
  • Heilpädagogische Ausbildung und Aufgaben in den Schulen
  • Beobachtung: Integration eines Kindes mit Down Syndrome in einer Klasse und die heilpädagogische Unterstützung in und ausserhalb der Klasse
  • Besuch einer heilpädagogischen Schule, kennenlernen des Konzepts und Arbeit in der Schule
  • Unterstützungsangebote und Organisation in einer öffentlichen Schule
  • Beobachtung und Kennenlernen von Logotherapie und Psychomotorik
  • Diskussionsrunde und Erfahrungsaustausch mit Lehrer, Heilpädagogen und Therapeuten

Bild 1 Heilpädagogin unterstützt Kinder in Einzelunterricht fürs Mathefach

Bild 2 Logopädin Mittle unterstützende Kommunikation in der heilpädagogischen Schule

  1. Entwicklungspädiatrie, Neuropädiatrie, Beratung von Eltern und Zusammenarbeit Spital und heilpädagogischen Schulen
  • Durchführung von medizinischen Entwicklungstest
  • Ärztesprechstunde zusammen mit dem Kind und den Eltern
  • Externe interdisziplinäre Arbeit zwischen Ärzte, heilpädagogischen Schulen, Kind und Familie
  • Therapie und Organisation im Akutspital – verschiedene interdisziplinäre Rapporte
  • Präsentation der Projekte in Indonesien vor dem Ärzte- und Therapieteam des Kinderspital mit anschliessender Diskussionsrunde

Bild 3 Besprechung der Patienten und Austausch Umgang mit Situation in der Schweiz oder Indonesien

Bild 4 Rehabilitationsvisite und interdisziplinäre Besprechung der Bewohner einer heilpädagogischen Schule

  1. Rehabilitationskonzept, Therapie und interdisziplinäre Arbeit von ambulanten und stationären Patienten
  • Beobachtung von den stationären Therapien (Ergotherapie, Hundetherapie, Logotherapie, Physiotherapie, Robotik, Sporttherapie, Klettertherapie), sowie ambulante Therapien
  • Konzept des Rehabilitationszentrum – Stationen (Frührehabilitation, Pflegestation und WG),
  • Interdisziplinäre Rapporte – Umgang mit gemeinsamen Zielen und setzen von Prioritäten
  • Konzept Spitalschule kennenlernen und verschiedene Unterrichtssequenzen besuchen
  • Beobachtung: Pflegeintervention – Ausbildung und Verantwortung Pflegefachleute
  • Aufgabe und Ausbildung der Ärzte – Zusammenarbeit mit dem Kinderspital

Präsentation des Projekts  und Situation in Indonesien vor den Mitarbeiter des Rehabilitationszentrums anlässlich der Freitagsfortbildung

 

Bild 5 Präsentation Situation in Indonesien

Bild 6 Ergo- und Hundetherapie

 

Kultureller Austausch

Nebst dem Austauschmöglichkeiten im professionellen Setting, war der kulturelle Austausch ein wichtiger Teil dieses Projekts.

  • Kennenlernen der Kulturen in der Schweiz durch Übernachtungen bei Gastfamilien, gemeinsame Essen, Gesprächen und Ausflügen
  • Ein anderes Land zu erkunden – Besuche von touristischen Attraktionen an Wochenende (Rheinfall, Schaukäserei Emmental, Bundeshaus Bern etc.)
  • Austauschabend im Cinema sil Platz (Kulturlokal) Ilanz – Vorstellung Land, Kultur und Religion mit indonesischen Snacks und Tanz (öffentlicher Anlass)
  • Besuch von Genf und den Sitz der Vereinten Nationen – Grosser Wunsch der Ärztinnen, da dieser Ort als Sinnbild für die Menschenrechte gibt

 

Bild 7 Besuch am Sitz der Vereinten Nationen

Bild 8 Besuch der Hauptstadt Bern

 

Erreichtes

Das Austauschprojekt hat von beiden Seiten sehr viele positive Rückmeldungen erhalten. Es gab viele spannende Diskussionen, neue Bekanntschaften und Freundschaften. Durch den Besuch in der Schweiz konnten sie viele ihrer Idealvorstellungen für die Integration von Kindern in der Praxis beobachten und davon lernen. Für die Ärztinnen ging ein Traum in Erfüllung und sie sind mit viel Motivation und Zukunftsvisionen wieder nach Indonesien gereist. Für die Beteiligten in der Schweiz war die positive Energie und die Wissbegierde der Ärztinnen, sowie das Kennenlernen einer neuen Kultur und Region sehr spannend, aber auch das Relativieren von Problemen hierzulande.

In den folgenden Punkten können konkrete Punkte aufgezählt werden:

  • Wir haben die Kontakte von den interessierten Fachleuten gesammelt und haben dadurch einen Expertenpool aufgebaut, an den sich die Ärztinnen bei Fragen wenden können oder wir auch bei möglichen Zukunftsprojekten darauf zugreifen können
  • In der Schweiz haben die Ärztinnen mehrmals wöchentlich ihre Erfahrungen und Beobachtungen auf den sozialen Medien geteilt und konnten so ein breites Publikum in Indonesien Sie erhielten viele Reaktionen, sowie auch Einladungen zum Knowledge Transfer. Sie wurden sogar nach Bandung (andere Insel) eingeladen, um über ihre Erfahrungen in der Schweiz zu berichten
  • Die Ärztinnen konnten Energie und Motivation für ihre weitere Arbeit sammeln und bekamen die Bestätigung, dass sie auf den richtigen Weg sind – Empowerment
  • Munadia führt monatlich Workshops für Eltern und Lehrer durch und versucht ihre Erfahrungen aus der Schweiz weiterzugeben, was den Eltern und Lehrer Hoffnung für eine bessere Zukunft für ihre Kinder gibt
  • Munadia erhielt neue Materialien und Ideen für die Weiterbildungen und Workshops, die sie von Februar bis April 2019 durchführt. Im ersten Teil (Februar-März) konnten 200 Personen (Lehrer, Eltern und Interessierte) kostenlos am 6-wöchigen Workshop von Dr. Munadia und weiteren Helfern teilnehmen. Mit einem Abschlussexamen erhielten 50 LehrerInnen ein Stipendium für die Teilnahme an einem Intensivworkshop, welches Ende April mit externen Experten stattfindet
  • Bisher musste Dr. Munadia 2-3 Mal pro Jahr zertifizierte Ärzte von anderen Inseln einladen (und oft selber bezahlen), damit diese Personen den Griffith-Test (Entwicklungstest) durchführen konnten. Das ist vor allem für die Evaluation der Entwicklung des Kindes wichtig, damit die korrekten Interventionen geplant werden können. Durch Kontakte in der Schweiz kann sich Munadia noch dieses Jahr für den Griffith-Test zertifizieren lassen und kann diesen Test in Zukunft selbständig durchführen.

 

Finanzierung

Das Ärzteaustauschprojekt wurde durch private Spenden finanziert und war auf einem kleinen Budget aufgebaut. Der gesamte finanzielle Aufwand beträgt etwa CHF 4200.-. Die grössten Ausgaben sind folgend aufgelistet:

  • Hin- und Rückreise (Visum, Flug & Versicherungen)
  • Transport in der Schweiz (meistens mit öffentlichen Verkehrsmittel)
  • Essen
  • Ausflug nach Genf

Zusätzlich habe viel Unterstützer mit Einladung für Übernachtungen, gemeinsamen Essen und Ausflügen, Transportservice usw. das Projekt erst realisiert. Der wohltätige Aufwand wird über CHF 15’000.- geschätzt. Bei weiteren Fragen und Unklarheiten wird die detaillierte Buchhaltung gerne offengelegt.

 

Ausblick

Kurzfristig wird „Support Beyond Barriers“ den Intensivworkshop im April 2019 finanziell unterstützen und ein Teil der Stipendien für die LehrerInnen übernehmen. Angela Collenberg wird Ende April nach Banda Aceh reisen (privat finanziert) und am Abschluss des Intensivworkshops teilnehmen und die 50 teilnehmenden Lehrer und eingeladene Experten kennenlernen. Zudem findet anschliessend ein internationales Symposium zu „Learning Disabilities“ statt, an welches Dr.Munadia Experten von anderen Regionen in Indonesien einlädt für den gegenseitigen Austausch.

Für „Support Beyond Barriers“ gibt es die Möglichkeit weitere Fachleute in Indonesien kennenzulernen  und mögliche Projekte zu besprechen. Deshalb sind konkrete Zukunftsprojekte noch nicht definiert, es bestehen jedoch verschiedene Projektideen, welche mit den lokalen Partner noch besprochen werden

 

Zudem werden wir auch verschiedene Organisationen, die bereits auf anderen Inseln in Indonesien in diesem Bereich tätig sind, anschreiben und mögliche Kooperationen mit ihnen aufbauen. Für die Finanzierungen werden wir bei konkrete Projektplanung Stiftungen in der Schweiz anschreiben.

 

Danksagung

Als Erstes möchten wir ganz herzlich den lokalen Partnern, PD Dr. med. Andreas Meyer-Heim, Dr. med. Christoph Künzle, Alice Caduff und Franziska Schmid, danken. Dank ihrer Hilfe konnten wir für die verschiedenen Bereiche des Projekts ein tolles Programm für die Ärztinnen zusammenstellen und durch ihre Begleitung und Unterstützung durften sie sehr wichtige Inputs erhalten.

Ein ganz grosser Dank gebührt dem gesamten Team der folgenden Organisationen:

  • IBEM Schule Oberdiessbach
  • Heilpädagogische Schule Bern
  • Primarschule Zimmerwald
  • KER-Zentrum des Ostschweizer Kinderspitals in St. Gallen,
  • Stiftung Vivala Weinfelden
  • Heilpädagogische Schule Heerbrugg
  • Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche in Affoltern am Albis und Kinderspital Zürich
  • Cinema sil Platz, Ilanz

Des Weiteren durften wir bei den folgenden Gastfamilien übernachten oder die Wohnung wurde uns zur Verfügung gestellt:

Alice Caduff und Erich Scheuner, Dr. Christine Fuchs und Familie, Beat und Susanne Studer, Letizia und Carli Collenberg-Caduff, Anja Trepp, Martin Felber und das Rehabilitationszentrum Affoltern am Albis.

Für die grosszügige finanzielle Unterstützung und weiteren Support (z.B. Essenseinladung, Transportservice usw.) bedanken wir uns von ganzem Herzen bei:

Astrid Ziegler, Linda und Pascal Derungs, Catrin Collenberg und Daniel Egger, Anja Rhyner, Laura Caduff, Laura Furler, Oliver und Livia Furler, Doris und Erwin Caduff, Andrina Caduff, Erwina Gantenbein, Nesa Arpagaus, Anja Trepp, Daniel Kaufmann, Matilda Arpagaus und Curdin Venzin, Schleich & Collenberg AG, Alfonsina Caduff-Arpagaus, Irena und Hannes Galliard Caduff, Claudia und Thomas Woodtli, Mirjam Graf und Ralph Nötzli, Sabrina und Thomas Schmid, Gabi und Linus Riedi, Jacqueline Schmocker, Erwin und Barbara Woodtli, Valeria Aiello, Ermo Russo und Ramona Aiello, Katie Duan, Kelly Huang, David Ferrandiz Mont, Nuran Yildirim und Phillip Richard, Martina Cadonau.

Wir bedanken uns bei allen Beteiligten für die grosszügigen Beiträge und die schönen gemeinsamen Stunden, denn ohne euch wäre das Projekt nicht möglich gewesen. Wir hoffen bei einem weiteren Projekt euch wieder als „Supporter“ dabei zu haben.
 

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